Der Hamburger BADO e.V. legt seinen 27. Jahresbericht und Basisdaten zur Suchthilfe in Hamburg für das Jahr 2023 vor. Der diesjährige BADO-Bericht basiert auf der Auswertung von 17.347 anonymisierten Betreuungsverläufen von insgesamt 14.517 unterschiedlichen Personen.

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Zusammenfassende Stellungnahme Fachvorstand des BADO e.V.

Um die Hamburger Suchthilfe weiterzuentwickeln, wird jährlich ein Bericht auf der Grundlage der standardisierten Basisdatendokumentation (BADO) der zuwendungsgeförderten und über SGB IX finanzierten Hamburger Suchthilfeeinrichtungen vom Hamburger BADO e.V. (www.bado.de) vorgelegt, einem Zusammenschluss der freien Träger der Hamburger Sucht- und Drogenhilfe und der Behörde für Arbeit, Gesundheit, Soziales, Familie und Integration. Der BADO e.V. hat das Ziel, den Wissensstand auf dem Gebiet der Suchthilfe zu fördern. Hierzu werden die Dokumentationsdaten aus den unterschiedlichen Suchthilfeeinrichtungen von einem externen wissenschaftlichen Institut1 zusammengeführt und ausgewertet.

Der BADO e.V. veröffentlicht nun den 27. Jahresbericht für das Jahr 2023.

In der BADO-Dokumentation werden die Inanspruchnahmen, die Suchtprobleme und die biografischen Hintergründe der Hilfesuchenden dokumentiert. Ferner werden in dieser Dokumentation die Behandlungsvorerfahrungen, die justiziellen Situationen, die gesundheitlichen und psychischen Verfassungen sowie die sozialen Situationen festgehalten. Die Hamburger Basisdatendokumentation ist dabei eng an den deutschen Kerndatensatz der Suchthilfe in Deutschland gekoppelt. Über den Deutschen Kerndatensatz hinausgehend enthält der BADO-Datensatz zusätzliche Fragestellungen und bietet die Möglichkeit, Betreuungsfälle, die sich auf gleiche Personen beziehen, einrichtungsübergreifend und mehrjährig auszuwerten. Damit sind neben den Statusbeschreibungen auch Analysen im Längsschnitt möglich. Der BADO e.V. legt Wert darauf, Daten so aufzubereiten, dass diese für die Praxis ebenso wie für Verantwortliche in der Politik und Verwaltung verständlich und nutzbar sind.

Statusbericht 2023

Der diesjährige BADO-Bericht basiert auf der Auswertung von 17.347 anonymisierten Betreuungsverläufen von insgesamt 14.517 unterschiedlichen Personen, die in den hier abgebildeten Hamburger Einrichtungen der Suchthilfe im Jahr 2023 begleitet und beraten wurden. Damit hat sich der rückläufige Trend nicht fortgesetzt und es wurden wieder mehr Menschen erreicht als noch im Vorjahr. Beide Kennzahlen lagen damit wieder auf dem Niveau von 2021.

Angehörige und Menschen und soziales Umfeld

Die Hamburger Suchthilfeeinrichtungen beraten auch Angehörige und Menschen aus dem sozialen Umfeld der Konsument:innen. Im Berichtsjahr wurden 1.732 Betreuungen bei 1.637 unterschiedlichen Personen aus dem sozialen Umfeld dokumentiert, und damit wurden auch hier wieder mehr Personen als noch im Vorjahr erreicht.

Spezialauswertungen

Dieser BADO-Bericht enthält neben dem Statusbericht drei Exkurse zu ausgewählten Schwerpunktthemen. Diese umfassen im Berichtsjahr eine detaillierte Analyse der Einmalkontakte, der somatischen und psychischen Belastungen der Klientel und sowie die Untersuchung ausgewählter Fragestellungen zu Klient:innen mit Crackkonsum im Suchthilfesystem.

Analyse der Einmalkontakte
Stellt man die Einmalberatungen den längerfristigen Beratungen gegenüber, fällt auf, dass tendenziell höhere Belastungen bei den Klient:innen dokumentiert sind, die einmalige Beratung in Anspruch nehmen. Exemplarisch sind hier höhere Belastungen in den Bereichen der Wohnungslosigkeit und der psychischen Gesundheit zu nennen. Auch der Anteil der Personen mit Migrationshintergrund ist in der Gruppe der Einmalberatungen erhöht. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass diese Klientel nicht grundsätzlich weniger Bedarf hat, sondern dass die Belastungen möglicherweise eine fortlaufende Beratung erschweren oder die Bedarfe zumindest temporär nicht ausreichend alleine durch die Angebote der Suchthilfe abgedeckt werden können.

Somatischen und psychischen Belastungen der Klientel
Der zweite Exkurs beleuchtet die Entwicklung der ssomatischen und psychischen Belastungen über die letzten 16 Jahre. Das Ausmaß der somatischen Beschwerden der erfassten Klientel blieb über die Jahre in der Gesamtgruppe stabil. Lediglich bei der Opioidklientel zeigt sich eine Zunahme der Beschwerden, die mit dem steigenden Alter dieser Gruppe korreliert, aber vermutlich auch mit anderen Faktoren in Zusammenhang gebracht werden muss. Seit 2020 lässt sich eine Häufung nicht wahrgenommener, aber notwendiger medizinischen Versorgung über die gesamte Klientel beobachten. Dieses Phänomen ist bei der Opioidklientel besonders ausgeprägt und deutet darauf hin, dass es für diese Menschen zusätzliche Barrieren gibt, notwendige medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. Im Bereich der psychischen Belastungen zeigt sich eine allgemeine Zunahme, wobei die Zunahme von Ängsten und Phobien bei der weiblichen Klientel stärker ausgeprägt ist. Menschen mit mittelstarken bis extremen depressiven Stimmungen sind zunehmend häufiger in der Suchthilfe vertreten. Bei Aggressionen hingegen ist keine Zunahme zu verzeichnen; die Werte bleiben stabil bzw. zeigen eine geringfügige Abnahme. Trotz der hohen psychischen Belastungen über alle Gruppen hinweg erhält nur ein vergleichsweise geringer Anteil ergänzende psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung.

Crackkonsum
Der dritte Exkurs vergleicht die Klient:innen mit Crackkonsum mit den Opioidklient:innen ohne Crackkonsum. Auffällig ist, dass der Anteil der weiblichen Klientel in der Gruppe der Crackkonsumierenden deutlich höher ist als in der Vergleichsgruppe. In etwa die Hälfte der erreichten Personen mit Crackkonsum befindet sich in Substitutionsbehandlung und ist somit an eine medizinische Versorgung angebunden. Die Daten zeigen ebenfalls, dass ein nicht unerheblicher Teil der Crackkonsument:innen nach Betreuungsende in einer anderen suchtspezifischen Einrichtung weiter betreut wird und somit fortlaufend innerhalb der Suchthilfe Unterstützung findet. Bei der Analyse der ausgewählten Fragestellungen zeigt sich, dass die Situation der Crackkonsument:innen erheblich schlechter ist als bei der ebenfalls hoch belasteten Klientel der Opioidgruppe. Insbesondere die Gruppe der weiblichen Crackkonsumentinnen ist in nahezu allen Bereichen extrem belastet. Körperliche Gewalterfahrungen sind in beiden Gruppen stark verbreitet. Bei den weiblichen Crackkonsumentinnen wurde für beinahe jede Frau dokumentiert, dass sie Opfer von körperlicher Gewalt geworden ist. Während in der Opioidgruppe 12% der Betreuten in Notunterkünften oder auf der Straße leben, trifft dies auf 35% der Crackkonsumierenden und sogar auf 50% der weiblichen Crackkonsumentinnen zu. Auch die körperliche und psychische Belastung ist bei den weiblichen Crackkonsumentinnen stärker ausgeprägt.

Betrachtet man die beiden Gruppen, zeigt sich, dass nur ein geringer Anteil die Betreuung mit einem Wechsel in eine andere Betreuungsform wie bspw. medizinische Rehabilitation oder Eingliederungshilfe beenden, obwohl es sich bei beiden Gruppen um hochbelastete, chronisch abhängigkeitserkrankte Menschen mit kontinuierlichen Unterstützungsbedarf handelt. Insgesamt wird deutlich, dass insbesondere die weiblichen Crackkonsumentinnen besondere Unterstützungsbedarfe haben, die nicht ausschließlich über die Angebote der Suchthilfe abgedeckt werden können.
Der BADO Vorstand bedankt sich bei den Mitarbeitenden der Hamburger Suchthilfeeinrichtungen, bei den Mitarbeitenden des Hamburger Zentrums für Interdisziplinäre Suchtforschung der Universität Hamburg und bei Frau Barre von Jugendhilfe e.V. Sie alle haben zu diesem Bericht beigetragen.

Quelle: Bado e.V.